Fragen da beantworten, wo sie entstehen

Forschungsnetzwerk BayFoNet

Hausärzte kümmern sich um alltägliche Gesundheitsprobleme und sind an pragmatischen Lösungen interessiert. Aber Forschung? Dafür sind doch Kliniken zuständig. So denken wohl die meisten – doch es stimmt nur bedingt. Auch in Hausarztpraxen ist erfolgreiche klinische Forschung möglich. Das zeigt das Forschungsnetzwerk BayFoNet.

Ein akuter Harnwegsinfekt – im Volksmund auch Blasenentzündung genannt – ist ein häufiger Grund, warum sich Frauen an ihren Hausarzt wenden. Vielfach wird dann ein Antibiotikum verschrieben, obwohl klinische Studien zeigen, dass für viele Frauen mit einer vermuteten Blasenentzündung eine symptomatische Behandlung ausreicht. Andere Frauen wiederum benötigen ein Antibiotikum, um ihre Beschwerden zu heilen. Ein häufiges Verschreiben von Antibiotika ist unter anderem deshalb ein Problem, weil immer mehr Krankheitskeime resistent, also unempfindlich gegen Antibiotika werden. Sie sollten deshalb nur dann verordnet werden, wenn es wirklich nötig ist.

Lässt sich ein Harnwegsinfekt durch eine präzisere Untersuchungsmethode genauer feststellen und dadurch der unnötige Einsatz von Antibiotika reduzieren? Dieser Frage geht die Studie MicUTI nach. Bei Verdacht auf eine Blasenentzündung wird in der Praxis der Urin mittels Teststreifen untersucht. Mit dem Einsatz der Phasenkontrastmikroskopie, die von geschultem Praxispersonal durchgeführt wird, könnte eine weitere Sicherung der Diagnose erzielt werden. Doch wie praktikabel ist das im Praxisalltag? Wird die Methode von den Praxen und Patientinnen akzeptiert? Und lassen sich damit tatsächlich gezieltere Therapieentscheidungen treffen?

MicUTI ist ein gutes Beispiel dafür, warum Allgemeinmedizin eigene Forschung braucht. „Ein Großteil der klinischen Studien findet im universitären Kontext statt. Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich nur bedingt auf die ambulante Medizin, in der die meisten Menschen versorgt werden, übertragen. Die Studienlandschaft spiegelt hier also nicht die Realität wider,“ sagt Prof. Ildikó Gágyor, Sprecherin und Projektleiterin des Forschungsnetzwerks BayFoNet. Deshalb lautet das Credo von BayFoNet: Wissenschaftliche Fragestellungen, die sich in Hausarztpraxen stellen, sollte man am besten dort untersuchen, wo sie entstehen: in Hausarztpraxen. Die Universitätsmedizin nimmt dabei eine koordinierende Rolle ein.

„Konkrete Fragestellungen sollten in dem Setting beantwortet werden, in dem sie entstehen.“

Prof. Ildikó Gágyor, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin Würzburg, Sprecherin und Projektleiterin von BayFoNet

BayFoNet ist das Bayerische Forschungsnetz in der Allgemeinmedizin. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Hausärzten und der Universitätsmedizin, konkret über die Institute für Allgemeinmedizin, zu stärken. Durch Pilotstudien soll die Funktionsfähigkeit dieser Netzwerke getestet werden, um langfristig klinische Studien in der Primärversorgung durchführen zu können. BayFoNet, getragen von fünf Instituten für Allgemeinmedizin in Bayern, plant die Gewinnung von allgemeinmedizinischen Praxen als Forschungspartner. Neben der MicUTI-Studie zum akuten Harnweginfekt werden zahlreiche weitere Studien durchgeführt, einige sind bereits abgeschlossen, andere in Planung. Die Themen reichen von der Behandlung eines akuten Gichtanfalls über die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die Schulung von Menschen mit Asthma bis hin zur gut informierten Kommunikation zwischen Arzt und Patient.

Was ist BayFoNet?

Das Bayerische Forschungsnetz in der Allgemeinmedizin (BayFoNet) wird von den fünf Lehrstühlen für Allgemeinmedizin in Bayern in Würzburg, Erlangen, LMU und TU München sowie Augsburg aufgebaut. Sie suchen hausärztliche Praxen in ganz Bayern, die Teil des Netzwerkes werden möchten.

Mehr über BayFoNet, durchgeführte Studien und Teilnahmemöglichkeiten

Allgemeinmedizinische Forschung profitiert von Netzwerken

Hausärzte haben eine Schlüsselrolle bei der Vernetzung zwischen den Versorgungssektoren, also über ambulante oder stationäre Einrichtungen hinweg. Sie haben zudem einen anderen Blickwinkel und mit anderen Problemen zu kämpfen als beispielsweise Klinikärzte. „Wir sind näher am Patienten. Deshalb sehen wir auch, dass manche Dinge nicht funktionieren, wie wir uns das wünschen, zum Beispiel weil die Patienten ihre Tabletten nicht nehmen,“ sagt der Münchner Allgemeinarzt Dr. Johannes Guggenmos, der sich mit seiner Hausarztpraxis an BayFoNet beteiligt. Forschung im ambulanten Bereich durchzuführen sei zwar viel schwieriger als in einer Klinik. Dank der Infrastruktur, die BayFoNet und die Institute für Allgemeinmedizin zur Verfügung stellen, sei es aber machbar.

Ganz ähnlich sieht das der Hausarzt Thomas Hary, der mit seiner Praxis ebenfalls Teil von BayFoNet ist: „Ich dachte früher, dass Hausärzte keine evidenzbasierte Medizin machen, sondern eher auf ihre eigene Erfahrung bauen. Das stimmt aber gar nicht, beziehungsweise muss nicht so sein.“ Auf die Frage, warum er sich in der Forschung engagiert, antwortet der Allgemeinmediziner aus dem Landkreis Dachau: „Ich bin offen dafür, mit meiner Arbeit zu guten Forschungsergebnissen beizutragen. Und mein Herz schlägt dafür, dass die Allgemeinmedizin insgesamt vorankommt.“

„Der Benefit ist für mich, dass ich über den Tellerrand hinausschaue, mein Wissen aktuell halte und zum Erkenntnisgewinn in der Allgemeinmedizin beitragen kann. Das empfinde ich als motivierend.“

Thomas Hary, Allgemeinmediziner mit Hausarztpraxis in Erdweg im Landkreis Dachau

Laien beraten Ärzte

Letztlich soll die Forschung in der Allgemeinmedizin der Allgemeinheit zugutekommen. Damit das gelingt, setzt das Netzwerk auch auf Bürgerbeteiligung. Bereits bei der Planung und Konzeption von Forschungsvorhaben können sich interessierte Bürger beratend einbringen – zum Beispiel im Bürger*innenbeirat der TU München, in dem sich Business-Coach Florian Fischer engagiert. Er ist über die Arbeit in einer Selbsthilfegruppe auf BayFoNet gestoßen. Sein Herzensthema ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patient: „In der Medizin sind viele Dinge für Laien nicht verständlich. Oft fehlt dann die Zeit, nochmal nachzufragen, oder einfach der Mut.“

„Ich möchte mit meinem Erfahrungswissen dazu beitragen, dass medizinische Forschung besser wird und in der Folge Hausärzte noch besser helfen können.“

Florian Fischer, Bürger*innenbeirat München

Auch Anna von Oertzen engagiert sich seit knapp einem Jahr im Bürger*innenbeirat der TU München. Ihr Hauptgrund: Als Gesundheitsberaterin und Coach erlebt sie häufig, dass sie zwischen Ärzten und Patienten „übersetzen“ muss. Oft sind die Patienten Studien gegenüber skeptisch: „Viele Menschen sehen den Nutzen für sich und für die Allgemeinheit nicht. Die Studienergebnisse können sie ebenfalls nicht interpretieren. Das Ziel meiner Mitarbeit ist es, die Kommunikation zwischen Patienten und Forschenden zu verbessern.“

„Patienten haben heute viel Youtube- und Facebook-Wissen. Es braucht jemanden, der die Zusammenhänge runterbricht und nachvollziehbar macht. Deshalb ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patient so wichtig.“

Anna von Oertzen, Bürger*innenbeirat München

„Einen besonderen Schwerpunkt legt BayFoNet auf die Beteiligung von hausärztlichen Praxisteams und Bürger*innen an allen Phasen des Forschungsprozesses.“

Christian Kretzschmann, Institut für Allgemeinmedizin Würzburg

In Würzburg, Erlangen und München treffen sich deshalb regelmäßig Menschen wie Florian Fischer und Anna von Oertzen, um den Forschenden beratend zur Seite zu stehen. Was halten sie von neuen Konzepten? Wie verständlich sind die Informationsmaterialien? Wie gelingt es, mehr Patienten für eine Studie zu gewinnen? Wie würden sie reagieren, wenn ihnen ihr Hausarzt eine bestimmte Empfehlung geben würde? Und: Was wurde von den besprochenen Themen am Ende tatsächlich umgesetzt und wie waren die Ergebnisse der Studie? „Es ist uns sehr wichtig, dass alle Beteiligten am Ende eine Rückmeldung bekommen, wie es mit dem Projekt weiterging“, sagt Kretzschmann. „Wir streben ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Bürgerinnen und Bürgern an und möchten deren Perspektiven einbringen, weil wir uns davon eine Verbesserung der Forschung erwarten. Und wir sehen auch schon erste Ergebnisse.“

Personen von links nach rechts:
Florian Fischer, Prof. Ildikó Gágyor, Thomas Hary, Dr. med. Johannes Guggenmos, Christian Kretzschmann und Anna von Oertzen

Fotos: Angie Wolf (Gágyor Ildikó und Christian Kretzschmann), Jan Roeder (Florian Fischer), AlexeyTestov (Dr Johannes Guggenmos), Anna von Oertzen (Anna von Oertzen), Thomas Hary (Thomas Hary)

Für Fragen

Universitätsmedizin Bayern (UMB) e.V.
Geschäftsstelle
c/o Universitätsklinikum Würzburg
Josef Schneider Str. 2, D7
97080 Würzburg
info@unimedizin-bayern.de